Bundesliga: Fanforscher erklärt Folgen von Protesten und Investoren-Aus – watson
Wochenlang demonstrierten die Fans in den deutschen Stadien gegen den Einstieg eines Investors in der DFL.Bild: keystone
Kommentar
Nach den anhaltenden Fan-Protesten in der 1. und 2. Bundesliga hat sich die Deutsche Fussball-Liga (DFL) vom geplanten Einstieg eines Investoren abgewandt. Davon hat die DFL in mehrerlei Hinsicht Schaden genommen, findet Fanforscher Harald Lange.
Harald Lange / watson.de
Der Investorendeal wurde von der DFL-Spitze am Mittwoch zum zweiten Mal seit Mai vergangenen Jahres begraben. Vor acht Monaten fehlten vier Stimmen und am Mittwoch waren es die nachhaltig wirkenden Fan-Proteste, die keinen anderen Weg zuliessen. Das Thema ist erstmal vom Tisch und der Deutsche Fussball ist um die Erfahrung reicher, dass seine Stärke keinesfalls in seiner Führung, sondern in der Gemeinschaft und einer daraus hervorgehenden glasklaren Haltung liegt.
Spätestens jetzt wissen wir, dass jeder, der Verantwortung für den Profifussball in Deutschland übernimmt, davon ausgehen muss, dass die Fanszenen des Landes, aber auch die Mehrheit der Mitglieder der Fussballvereine keine Investoren in der DFL wollen. Möglicherweise lehnen sie die Überkommerzialisierung und den Einfluss, den die Geschäftemacher auf die Gestaltung des Wettbewerbs und des Spiels haben, ganz grundsätzlich ab.
Diese Einsicht ist seit Langem bekannt, aber die DFL-Spitze konnte aus den Fan-Protesten der zurückliegenden Jahre, die während der Pandemie sogar zu einer massiven Abwendung der Fans und Zuschauer führten, nicht wirklich etwas Zählbares lernen. Das tut nun weh.
Fanforscher Harald Lange.Bild: universität würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang «Fan- und Fussballforschung» und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fussball, auch in seinem Seminar «Welchen Fussball wollen wir?»
Zukunft des deutschen Fussballs: Taskforce war reine PR-Idee
Die DFL hat in mehrerlei Hinsicht Schaden genommen. Das Vertrauen gegenüber den Fans und Vereinsmitgliedern ist zerrüttet. Sponsoren müssen sich künftig vergewissern, ob die DFL und manche Klubvertreter tatsächlich noch für die Massen stehen, die an den Wochenenden ins Stadion gehen und die Fernseher einschalten. Und potenzielle Partner der Bundesliga wissen – mit Blick auf die Analyse des Protests – dass ihre ersten Ansprechpartner in der Kurve stehen und nicht im Massanzug am Verhandlungstisch in der Frankfurter DFL-Zentrale sitzen.
Die aktiven Fanszenen haben die Massen mobilisiert und mit Zustimmungswerten von über 75 Prozent beeindruckende Mehrheiten hinter sich versammelt. Die DFL-Spitze ist gescheitert und braucht eine tragfähige Vision und Konzeption zur Zukunft des Profifussballs in Deutschland.
Wer kann da helfen? Die vor dreieinhalb Jahren eingerichtete Taskforce Profifussball war eine ausgezeichnete PR-Idee. Mehr nicht.
Der Weg in die Zukunft des Profifussballs in Deutschland geht nur über die Gemeinschaft derer, die den Fussball lieben und ihn tagtäglich mit ihrem Interesse und ihren Bedeutungsaufladungen wertvoller machen. Die Mitglieder in den Vereinen, die Fans in den Stadien und vor den Fernsehern, die Amateurfussballer und Kinder, sowie deren Eltern und Freunde sind als Kollektiv weitaus wichtiger als die Profitinteressen einzelner Akteure in diesem riesengrossen System.
Ich weiss, das ist eine unbequeme Wahrheit für all diejenigen, die im Fussball das grosse Geld machen wollen. Gute Geschäfte lassen sich zukünftig dann machen, wenn es gelingt, die Basis für die dahinterstehenden Ideen zu gewinnen.
Wenn die DFL-Spitze bereit und in der Lage dazu ist, das Momentum der gesellschaftlichen Teilhabe als Kern ihres Geschäftsmodells begreifen zu wollen, dann hat die Zukunft des Profifussballs eine wirkliche Chance. Dieser Sport ist nicht vom Himmel gefallen. Fussball ist historisch gewachsen, hat Werte verinnerlicht und hervorgebracht. Wir wissen mit Blick auf die zurückliegenden Wochen, dass Fans und Fussballer an der Basis diese Werte nicht an Investoren verkaufen wollen. Das ist bedauerlich für die, die mit solchen Deals ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Die Fans wollen die Werte ihres Fussballs nicht an Investoren verkaufen.Bild: keystone
Für die grosse Mehrheit der Fussballliebhaber in diesem Land ist das einfach nur ein gutes Gefühl. Der Teilerfolg sei allen Tennisballwerfern in diesem Land, sowie deren Sympathisanten und Unterstützern, von Herzen gegönnt. Doch beginnt sogleich die nächste Runde in diesem grossen Spiel: Welchen Fussball wollen wir?
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Video: watson
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